Dieselskandal weitet sich aus: VW-Motor EA288 betroffen
Der VW-Konzern gerät zunehmend in die Defensive. Neue Dokumente zeigen: Der seit 2012 in Modellen wie Golf, Tiguan oder Passat verbaute Diesel-Motor EA288 besitzt eine illegale Abschalteinrichtung. Der Wert betroffener Fahrzeuge sinkt drastisch, Zulassungsentzug und Fahrverbote drohen. „EA288-Fahrzeug-Eigentümer sollten daher vor Gericht den Kaufpreis zurückfordern“, sagt der Stuttgarter Rechtsanwalt Andreas Lutz. „Unsere Erfahrungen zeigen: Die Chancen, den Prozess zu gewinnen, sind sehr gut.“
Wer annahm, dass es schlimmer nicht kommen könne, sieht sich getäuscht. Interne VW-Unterlagen, die dem Südwestrundfunk (SWR) in Stuttgart vorliegen, belegen dem Sender zu Folge, dass der Wolfsburger Autobauer nicht nur beim Motor EA189, der 2015 den Dieselskandal auslöste, illegale Abschalteinrichtungen verbaut hat. Auch das Nachfolgemodell EA288 scheint – über das bislang vermutete Maß hinaus – betroffen zu sein. Seit 2012 stattet der Autokonzern mit diesen 1,4- bis 2-Liter-Motoren zum Beispiel Dieselfahrzeuge der Modelle Amarok, Golf, Polo, Tiguan und Passat aus. Auch zahlreiche Modelle der VW-Töchter Audi, Skoda und Seat sind betroffen.
Was ist eine Abschalteinrichtung?
Bei einer Abschalteinrichtung handelt es sich um eine Software, die eine sogenannte Zykluserkennung vornimmt und dadurch feststellen kann, ob sich ein Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet. Nur in einer solchen Prüfsituation hält das Auto die vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte (Stickoxidausstoß) ein. Fährt das Auto jedoch auf der Straße, drosselt die Software die Zufuhr von Harnstoff (AdBlue) zur Emissionsreinigung. Der Einsatz einer solchen „Schummelsoftware“ ist illegal.
Schritt für Schritt zur Wahrheit
Der VW-Konzern hatte im Herbst 2015 noch generell bestritten, dass es beim Motor EA288 eine Abschalteinrichtung gebe. Kurze Zeit später gab ein Konzern-Sprecher zu, dass EA288-Motoren des Modelljahrs 2015 in den USA doch betroffen seien. Motoren der Euro-5- und der Euro-6-Norm, beruhigte VW die Käufer, seien jedoch in Ordnung. In einem Verfahren vor dem Landgericht Wuppertal gestand VW zu Beginn dieses Jahres allerdings ein, dass es in EA288-Fahrzeugen eine Einrichtung gebe, die die Abgasreinigung von der Umgebungstemperatur abhängig macht. Fachleute sprechen dabei von einem sogenannten Thermofenster. Die Abgasreinigung funktioniert nur zwischen 15 und 33 Grad Celsius. In Deutschland ist sie damit viele Monate im Jahr nicht in Betrieb. Eine solche Temperaturbeschränkung ist rechtswidrig.
Neue Dokumente belegen Abschalteinrichtung
Die dem SWR vorliegenden vertraulichen VW-Unterlagen bestätigen nun, dass es in den EA288-Diesel-Motoren – selbst jenen mit Euro 6-Norm (!) – bis 2016 eine Zyklus-, das heißt Prüfstandserkennung gab. In den Dokumenten ist von „Nutzung und Erkennung (…) des NEFZ EU-Abgastestverfahren auf dem Rollenprüfstand, um die Umschaltung der Rohemissionsbedatung streckengesteuert auszulösen“, und von „Dosierstrategie im Zyklus und außerhalb des Zyklus“ die Rede. Außerdem geht aus den Dokumenten hervor, dass VW wohl ab Mitte 2016 neue Software-Versionen in die Motorsteuerung aufspielte. Sie löschten die sogenannten Fahrkurven, die eine Prüfstandserkennung möglich machen.
Unterlagen zur Prüfung beim Kraftfahrtbundesamt
VW bestreitet die Vorwürfe. Auch Bundesverkehrsministerium und Kraftfahrbundesamt, auf das sich das Ministerium beruft, geben sich ahnungslos. Der SWR schreibt: „Ein VW-Sprecher erklärte, kein Fahrzeug mit dem Dieselmotor EA288 nach Abgasstandard Euro 6 enthalte eine sogenannte Zykluserkennung. Auch das Bundesverkehrsministerium sieht keine Hinweise auf illegale Abschalteinrichtungen in den neueren Motoren.“Jetzt soll das Kraftfahrtbundesamt die neuen Dokumente prüfen.
Experte bewertet Belege als eindeutig
Der SWR legte die Unterlagen dem Abgasexperten Axel Friedrich vor. Er sagte: „Das Kraftfahrtbundesamt wird in diesen Dokumenten erkennen, dass es mindestens bis Mitte 2016 bei dem Modell ‚EA288‘ eine Abschalteinrichtung gegeben hat.“
Betroffene KFZ-Eigentümer sollten sich wehren
Als erfahrener Diesel-Skandal-Anwalt in Stuttgart sagt Andreas Lutz: „Abstreiten wird dem VW-Konzern nicht helfen. Ob die Strategie, scheibchenweise mit der Wahrheit rauszurücken, sich für das Unternehmen auszahlt, dürfte ebenfalls mehr als fraglich sein. Die Faktenlage wird dem Konzern neue Eingeständnisse abnötigen. Eigentümer von Autos mit EA288-Diesel-Motor haben daher sehr gute Chancen, wenn sie gegen den Hersteller klagen.“ Ziel einer Klage sei es, das mangelbehaftete Fahrzeug zurückzugeben und im Gegenzug den Kaufpreis – abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer – zurückzuerhalten. „Wir vertreten sehr viele Mandanten mit ihren Forderungen gegen VW und Daimler und konnten diese sehr erfolgreich vor Gericht durchsetzen“, berichtet der Anwalt. „Wir ermutigen EA288-betroffene KFZ-Eigentümer, sich beraten zu lassen und ihr Recht einzuklagen.“
Die Kanzlei Lutz Rechtsanwälte in Stuttgart bietet betroffenen Diesel-Fahrzeug-Haltern unter Telefon +49 (0) 711 99 59 80 7-0 oder per E-Mail unter kanzlei@lutz-rae.de eine unverbindliche Ersteinschätzung ihres Falles an. Weitere Informationen zur Kanzlei unter www.lutz-rae.de
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