Mitbestimmung des Betriebsrats bei „Desk Sharing“ und/oder einer „Clean Desk-Policy“

Mitbestimmung des Betriebsrats bei "Desk Sharing" und/oder einer "Clean Desk-Policy"

Jan Potthoff, Rechtsanwalt

1. Vorgaben des Arbeitgebers zur Einbringung persönlicher Gegenstände der Arbeitnehmer, insbesondere zu deren Aufbewahrung im Betrieb, können die Ordnung des Betriebs (i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) in mitbestimmungspflichtiger Weise betreffen; auch wenn solche Vorgaben Teil eines vom Arbeitgeber angeordneten Konzepts zum Desk Sharing und/oder einer von ihm vorgegebenen Clean Desk Policy sind.
2. Dasselbe kann für eine Doppelwidmung derselben Betriebsfläche sowohl zu Arbeits- als auch zu Pausenzwecken („überlagernde Nutzung“) gelten.
(LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. August 2024 – 21 TaBV 7/24; Leitsätze des Verfassers)

Die Arbeitgeberin beabsichtigte die Einführung und Umsetzung eines Planungskonzepts, das die Nutzungsflächen der Büroräume umgestaltet und umdefiniert, insbesondere ein „Desk Sharing“ und damit verbunden den „Clean Desk“ im Betrieb der Arbeitgeberin beinhalten sollte. Das Konzept umfasste Regelungen darüber, welche privaten Gegenstände mitgebracht werden dürfen und wie diese vor Beginn und nach dem Ende der Arbeitszeit im Betrieb aufzubewahren sind. Darüber hinaus sollte die Bürofläche in die Nutzungsbereiche Ankommen, Arbeiten, Community und Austausch gegliedert werden. Deren Übergänge seien fließend und „überlagernde Nutzungen“ seien denkbar.
Der Betriebsrat sah in der Einführung des Planungskonzepts eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme, insbesondere im Hinblick auf die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeitnehmer (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).
Er beantragte daher beim ArbG Heilbronn die Einsetzung einer Einigungsstelle, die die vollumfängliche Regelung des Planungskonzeptes zum Gegenstand haben sollte. Diesen Antrag wies das Arbeitsgericht zurück. Auf Beschwerde des Betriebsrats hin änderte das LAG Baden-Württemberg die Entscheidung ab und setzte die vom Betriebsrat begehrte Einigungsstelle ein. Das LAG beschränkte jedoch den Regelungsgegenstand der Einigungsstelle auf zwei Teilaspekte des Planungskonzepts: (1) die Ordnung hinsichtlich von den Arbeitnehmern eingebrachter und im Betrieb aufbewahrter persönlicher Gegenstände und (2) die Ordnung hinsichtlich des Verhaltens auf Flächen mit sog. „überlagernden Nutzungen“.
Soweit Desk Sharing-/Clean Desk-Anordnungen – wie vorliegend – Regelungen bspw. zur Einbringung und Aufbewahrung von persönlichen Gegenständen oder zum Verhalten im Betrieb (s.o.) enthalten, sei es nicht ausgeschlossen, dass sie dem Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterfallen. Das hat das LAG Baden-Württemberg differenzierend klargestellt.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Die reine Einführung und Umsetzung eines Konzepts zum Desk Sharing oder einer Clean Desk Policy als Ganzes unterliegen auch nach dem LAG nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Die gerade in (1) und (2) benannten Teilaspekte hingegen seien Angelegenheiten, die das sog. „Ordnungsverhalten“ – Gestaltung von kollektivem Miteinander und vorgegebener Ordnung des Betriebs – betreffen können und daher nicht dem mitbestimmungsfreien sog. „Arbeitsverhalten“ zuzurechnen. Zu diesem würden solche Maßnahmen gehören, die die Arbeitspflicht unmittelbar abfordern oder konkretisieren. Sind beide Bereiche betroffen, komme es für das Bestehen des Mitbestimmungsrechts jedoch auf den objektiv im Einzelfall ermittelten überwiegenden Regelungszweck an.
Das Verbot der Arbeitgeberin, persönliche Gegenstände auf dem Schreibtisch, auf Betriebsmöbeln oder auf dem Fußboden des Arbeitsbereichs zu belassen, betreffe zwar das Arbeitsverhalten insoweit, als es sich um eine Anweisung handele, dass und wie der Arbeitsplatz aufzuräumen ist. Davon zu trennen seien jedoch sowohl die Weisung dazu, wohin diese Gegenstände verbracht werden können, als auch die damit verbundene Steuerung des Verhaltens der Arbeitnehmer dazu, welche privaten Gegenstände nach Art und Umfang überhaupt noch in den Betrieb mitgebracht werden können. Es sei keineswegs klar, dass diese Frage nicht zum Ordnungsverhalten zähle, da es der Arbeitgeberin um eine über die Steuerung des Arbeitsverhaltens hinausgehende Ordnung bzw. Beseitigung einer Unordnung gehen könnte, die typischerweise mindestens im selben Maße durch private wie durch betriebliche Gegenstände am Arbeitsplatz verursacht würde.
Auch im Bereich der „überlagernden Nutzung“ sei nicht ausgeschlossen, dass die Ordnung des Betriebs insoweit gesteuert werde, als bspw. ein an sich primär zu Pausenzwecken bereitgestellter Raum (Küche und Essbereich) gleichzeitig auch für das Arbeiten bestimmt werde und die Arbeitnehmer zum dortigen spontanen Arbeiten (Spontanmeetings) ermuntert werden. Dies könnte bewirken, dass das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Arbeitnehmer betroffen ist, soweit Arbeitnehmer, die diesen Pausenraum zu Erholungszwecken aufsuchen, sich in ihrem Pausenverhalten an diese weiteren Nutzungen anpassen müssen.

Fazit:
Erfreulicherweise hat das LAG Baden-Württemberg den Blick auf die Details der Desk Sharing-/Clean Desk-Anordnung gelenkt und damit klargestellt, dass sich rein pauschale Betrachtungen – wie bspw. die des LAG Düsseldorf (Beschluss vom 09.01.2018 – 3 TaBVGa 6/17) – verbieten. Diese Klarstellung ist sehr zu begrüßen, da sie unterstreicht, dass im Einzelfall Ausgestaltung und Auswirkungen der jeweiligen Desk Sharing-/Clean Desk-Anordnung entscheidend sind für die Frage, ob sie der Mitbestimmung (nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) unterfallen. Betriebsräte sollten sich in der Praxis nicht von anderslautenden Pauschalaussagen abschrecken lassen.
Für den Fall, dass ein Buchungstool für die Arbeitsplätze im Betrieb verwendet werden soll, ist nach dem LAG Baden-Württemberg außerdem die Mitbestimmung bei der Einführung technischer Einrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) erfüllt. Auch kön-nen in diesen Fällen die Mitbestimmung betreffende Fragen des Gesundheitsschutzes (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) im Raume stehen.

Jan Potthoff, Rechtsanwalt
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